Kommentar: Niemand braucht Weicheier!
Liebe Frederike,
mit großem Interesse habe ich deinen Blog-Beitrag „Weicheier vor!“ auf der Seeweiber-Seite gelesen.
Du greifst dort ein Problem auf, welches in abgewandelter Form immer wieder durch das politische und kulturelle Feuilleton geistert. „Der durch den Feminismus verunsicherte Mann.“ In deinem unterhaltsam und aufwendig recherchierten Text kommst du zu dem Schluss, dass die Männer unter sich ein neues Männerbild aushandeln müssen.
von Ole
Als Vater zweier Söhne trifft das natürlich einen Nerv bei mir. Denn als Vater habe ich natürlich eine Vorbildfunktion. Aber wie soll ich Vorbild sein, wenn mein eigenes performatives Rollenbild erst noch ausgehandelt werden muss? Da müsste ich ja eigentlich jetzt richtig in Panik und Sorge sein?!
Bin ich aber nicht. Denn … und es tut mir leid, dir das sagen zu müssen … du wurdest „gebullshitet“.
Natürlich nehme ich die Sexismus-Debatte in den sozialen Medien war. Natürlich bekomme ich auch etwas von der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern mit und ja … auch ich gehe am 8. März mit meiner Frau auf die Straße um für die vollständige Gleichstellung zu kämpfen. Aber mir ist dabei nie in den Sinn gekommen, dass ich als Mann in einer „Sinnkrise“ stecken würde.
In deinem Blogbeitrag gehst du ausführlich auf überkommene, überholte männliche Rollenbilder ein. Du lässt auch die „Incels-Bewegung“ nicht unerwähnt und hast mit deinen Analysen auch voll ins Schwarze getroffen. Aber trotzdem gehst du inhaltlich fehl. Warum?
Du postulierst: „Die Muster sind das Problem, nicht jeder einzelne individuelle Mann. Es sind auch nicht nur Männer, die diese Muster hochhalten, und auch nicht nur Heteros. Aber es sind Männer, als Individuen, die ein neues Männerbild unter sich aushandeln müssen.“
Liebe Frederike, es gibt nicht nur ein Männerbild. Seit Jahrhunderten können Männer auf eine ganze Bandbreite von Männerbildern zurückgreifen. Egal ob wir uns die Jahrtausenden alten Sagen der griechischen Antike angucken, die Ritterromane aus dem Mittelalter oder die neuesten Kinofilme angucken: In abgewandelter Form finden wir dort die unterschiedlichsten Archetypen für Männlichkeit. Eine kleine Auswahl gefällig? Da wären: Der Anführer, der Kämpfer, der Schelm, der Wissenschaftler, der Kümmerer, der Athlet, der Frauenverführer, etc…, etc…, etc… .
Und Überraschung: All das kann Mann sein ohne automatisch Anti-Feminist oder gar Frauenfeind zu sein. Meine beiden Jungen haben also eine breite Auswahl aus der sie sich bedienen können. Und es ist völlig egal, was an welchem Archetypen sie sich orientieren, denn für jeden Typen werden sich Interessentinnen bezüglich der Partner*innenwahl finden. Ganz egal, ob sie sich als selbstständige, unabhängige Feministin verstehen oder sich eher ein traditionelles Familienmodell mit einem „Ernährer“ an ihrer Seite wünschen.
Während es seit Jahrtausenden für Frauen nur die Rolle des „männlichen Anhängsels“ gab und sich erst seit einigen Jahrzehnten mühsam neue Rollenbilder erarbeiten gibt es für die Männer schon eine ganze Bandbreite. Ich fürchte du hast den Fehler gemacht, der in der ganzen „Feminismus vs. Männer-Debatte“ immer wieder gemacht wird. „Form“ und „Inhalt“ werden gleichgesetzt, obwohl es zwei verschiedene paar Schuhe sind.
Es geht also eigentlich gar nicht darum, dass eine neue Definition von Männlichkeit gebraucht wird. Es geht um einige Männer, die glauben, dass Männlichkeit ohne geschlechtsspezifische Privilegien nicht möglich ist. Die es als Zumutung begreifen, auf einmal auch gegen Frauen um Jobs konkurrieren zu müssen. Oder nicht verstehen, wieso niemand über die guten alten Frauen-Witze lacht. Die auf einmal vielleicht auch einsehen, dass sie eigentlich keinen Charme besitzen, weil die Frauen mittlerweile mutig genug sind ihnen direkt zu verstehen zu geben, wenn sie einen Spruch eklig finden.
Liebe Frederike. Für mich ist nicht das Rollenbild in der Krise. Für mich sind es vielmehr einige Männer in gesamtgesellschaftlich relevanten Positionen, die nun den Wegfall ihrer „Penis-Privilegien“ als Phantom-Schmerzen auf alle Geschlechtsgenossen projizieren.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen um mal eine Antwortmöglichkeiten auf die gängigsten Bullshit-Phrasen der „verunsicherten Männer“ zu geben.
- Er: Ich weiß gar nicht mehr, wie man eine Frau ansprechen soll, ohne gleich als übergriffig zu erscheinen!
- Antwort: Echt jetzt? Du schaffst es nicht dich respektvoll einem anderen Menschen zu nähern? Ist das dein Ernst?
- Er: Man ist ja gleich ein Sexist, wenn man einer Frau ein Kompliment für ihr Aussehen macht.
- Antwort: „Du hast geile Möpse!“ ist kein Kompliment. Überdenke deine Wortwahl, du Spacken!
- Er: Die Frauen wissen ja gar nicht mehr was sie für einen Mann wollen!
- Antwort: Vielleicht liegt das daran, dass unterschiedliche Frauen einfach auf unterschiedliche Typen von Männern stehen? Mal daran gedacht, du Schattenparker?
- Er: Starke selbstbewusste Frauen verunsichern mich!
Antwort: Ha, ha, ha, ha!!! Was bist du denn für ein Weichei! Was soll das bitte schön mit „Männlichkeit“ zu tun haben? Konfliktfähigkeit gehört zur Grundfähigkeit jedes erwachsenen Menschen. Welche Paarbeziehung kommt denn bitteschön ohne Konflikte aus? Eine Ehe ohne Streit? Wovon träumst du nachts?
Ich gebe ja zu, dass in der hormongesteuerten Pubertät bei jungen Männern eine große Unsicherheit gegenüber dem anderen Geschlecht besteht. Das ging mir so, wie wahrscheinlich jedem anderen Jugendlichen auch. Aber wenn man da nicht rauswächst, dann ist man in diesem Entwicklungsstadium stecken geblieben. Mit Männlichkeit hat das nichts zu tun. Um das zu verhindern braucht es keine „Männer-Selbstfindungs-Gruppe“, sondern im Gegenteil noch mehr klare Kommunikation von (jungen) Frauen, was „ankommt“ und was nicht. Männer sind nicht die Opfer von selbstbewussten Frauen. Dieser Erzählung sollten wir nicht auf den Leim gehen.
Anstatt von der Krise der Männlichkeit zu fabulieren … (an der natürlich die Frauen Schuld sind, weil Frauen ja gerne an allem Schuld sein sollen) … sollten wir lieber gemeinsam Wert darauf legen, dass das Prädikat „Mann“ nicht jedem Zusteht, der Autofahren darf und einen Penis hat, sondern nur dem, der es schafft die Verantwortung für sein eigenes Leben zu tragen und die grundlegendsten Höflichkeitsformen selbstsicher beherrscht. Darin sehe ich als Vater meinen „Erziehungsauftrag“ und wenn ich meine Söhne diese „Skills“ vermitteln kann, dann bin ich sicher, dass sie gut mit Frauen zurechtkommen werden. Egal ob in der Diskothek oder am Arbeitsplatz.
Und wenn wir mal drüber nachdenken:
Diese Messlatte hängt nicht sonderlich hoch.