Stand! Fight! Unite!
Der Women’s March 2018 in Berlin
Was für ein cooles Motto für eine Frauendemo! Ich war begeistert, als ich die Ankündigung der Demo für den 21. 1. 2018 las. Die Frauen von Democrats Abroad aus den USA waren die Veranstalterinnen.
Pussyhat eingepackt und nix wie hin!
von Sonja
Die Amerikanerinnen wollten mit der Demo an die Women’s Marches nach der Amtsübernahme Trumps vor einem Jahr erinnern. Und sie haben Großes vor. Es stehen nämlich Wahlen an in diesem Jahr in den USA und sie wollen alle Amerikanerinnen ermutigen, sich auch im Ausland registrieren zu lassen und ihre Stimme abzugeben, um sich auch von Deutschland aus einzumischen in die amerikanische Politik.
„Wir können den Wechsel möglich machen, wenn wir uns einbringen gegen ungleiche Bezahlung, sexualisierte Gewalt, Rassismus, Ausgrenzung von Menschen anderer Geschlechter“, so rief die Organisatorin am Brandenburger Tor den begeisterten Frau zu, die sich versammelt hatten. Und wir müssen wählen! Pease vote!“, schallte es über den Pariser Platz.
Zugegeben, es waren nur wenige hundert Menschen, die sich bei Nebel und Nieselregen auf dem Pariser Platz versammelt hatten. Die meisten von ihnen Amerikaner*innen. Silke und ich hatten ordentlich zu tun, den Redebeiträgen zu folgen, denn es war recht laut und englisch ist ja nicht unsere Muttersprache.
So hatte ich viel Zeit, mich umzugucken und war überrascht, wie viele sehr junge Frauen hier dabei waren, einige vielleicht erst 15 oder 16 Jahre alt. Und diese hatten sich am meisten Mühe gegeben mit ihren Transpis und Bannern:
- Girls just wanna have FUN damental human rights!
- Women’s rights are human rights!
- We are women. Hear us roar!
- Girl-Power!!
- This is what a feminist looks like!
- Bring on the matriarchy!
Mensch, dachte ich, wie lange hatte ich auf deutschen Straßen nicht mehr so direkte Forderungen gehört oder gelesen… Und dann noch von den Allerjüngsten…
Ich kam ins Grübeln über unsere Frauen hier vor Ort. Die Me-Too-Debatte war in aller Munde, alle Zeitungen berichteten, die sozialen Netzwerke platzten fast vor den „Ich-Auch“-Bezeugungen. Aber wo sind eigentlich die Frauen, wenn es darum geht, konkrete politische Forderungen zu stellen, ich meine jetzt auch die deutschen Frauen? Sind die alle schon zufrieden, wenn sie #metoo gepostet haben? Klar, das ist ein Statement, aber da dürfen wir doch nicht stehenbleiben! Ich weiß, dass es frauenpolitische Gruppen in den meisten Parteien gibt und Fachpolitikerinnen, ich weiß, dass es überparteiliche Frauengruppen gibt. Aber als Frau auf der Straße bekomme ich wenig davon mit.
Geht es den Frauen zu gut? Sind sie zu bequem? Haben sie resigniert?
Als sich der Zug in Bewegung setzte – einmal durch’s Regierungsviertel und zurück – wurde ich das beklemmende Gefühl nicht los, dass ich einer Minderheit angehörte. Einer Minderheit, die sich für etwas einsetzt, das keine*n so recht interessierte.
Es wurden die Namen amerikanischer Frauenrechtlerinnen skandiert. Einige kannte ich. Welche deutschen Vorbilder fielen mir ein? Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, Alice Schwarzer… Und heute? Wo sind die charismatischen, mutigen Frauen, die sich heutzutage laut und explizit für eine gendergerechte, gewaltfreie, antirassistische Welt einsetzen? Warum werden heute die Gender- Debatte und die Forderungen nach Gleichstellung so oft unter „Gedöns“ subsummiert?
Ich habe nur Vermutungen. Ich vermute, dass die meisten der widerständigen, klugen, feministischen Frauen versuchen, ihre Rechte im Alltag ganz für sich alleine zu realisieren. Der Alltag fordert doch von uns all unsere Kraft. Es bleibt ja manchmal nach einem Arbeitstag nur noch Zeit und Kraft, den eigenen Körper und die Seele für den nächsten anstrengenden Tag zu pflegen, anstatt sich noch aktiv in Parteigremien oder Nicht-Regierungs-Organisationen einzubringen oder gar auf eine Frauendemo zu gehen. Der Turbokapitalismus mit all seinen Auswirkungen hat uns ganz gut im Griff und macht, dass solche Veranstaltungen wie heute eine Ausnahme sind.
Dabei macht es eigentlich Spaß, mit anderen Menschen zu marschieren, zu plaudern, sich auszutauschen, die tollen Plakate zu lesen… Und neben all den trüben Gedanken, die mir so kamen, hatte ich trotzdem das Gefühl, dass es da noch einen Schatz zu heben gibt.
Die jungen Frauen, die haben mir tatsächlich Mut gemacht
Am Ende unseres Marsches, als wir wieder am Brandenburger Tor ankamen, da entdeckte ich noch ein weiteres ein mit sehr viel Liebe künstlerisch gestaltetes Plakat:
Zu sehen war die Rückenansicht einer Frau, die mit einem Kleid aus Leidenschaft, Empathie und Optimismus eine Treppe hinaufklettert, deren Stufen aus den Worten Freiheit, Respekt, Solidarität und Gleichheit gestaltet waren.
Ziel dieser Aufsteigerin: Teilhabe, Vielfalt, Selbstbestimmung!
Was für eine Aussage. Nur mit Solidarität können wir den Aufstieg schaffen. Meine Stimmung hellte sich plötzlich auf und ich war tatsächlich geflasht von diesem positiven Bild.
Nicht müssen wir alleine versuchen den Alltag zu regeln, uns als Frauen in dieser komplexen Welt zurecht zu finden und für unsere Rechte zu streiten. Schluss mit Alleinkämpferinnentum! Gemeinsam kann es nur gehen. Solidarisch. Es hilft alles nichts: Wir müssen uns verbinden, um für uns zu streiten. Anders geht es nicht.
Und mit dieser Botschaft stieg ich dann ins Auto, um den Heimweg anzutreten.
Stand! Fight! Darin sind wir echt gut. Wir sind ja tough. Jeden Tag auf‘s Neue. Aber Unite! Das ist es! Wir müssen uns zusammentun, müssen uns treffen, um über unsere Ziele zu sprechen und uns dann gemeinsam zu unterstützen, diese Ziele zu erreichen, im Kleinen und im Großen, auch wenn der Weg gerade steinig ist. Und wir sollten die jungen Frauen ins Boot holen. Die scheinen, richtig Lust darauf zu haben und voller kraftvoller Ideen zu sein.
Danke Mädels!
Wozu so eine Demo doch gut sein kann…