Positionspapier der LAG Digitales und Medien M-V zum Vorhaben der Landesregierung „Landesamt für Digitalisierung“

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die derzeitige Landesregierung die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung jahrelang verschleppt hat. Mit dem aktuellen Gründungsvorhaben des Landesamtes für Digitalisierung möchte sie diesen Eindruck nun korrigieren. Die Pressemitteilung des Ministeriums für Inneres Ministerium Bau und Digitalisierung vom 19.05.2022 zeigt: Die Landesregierung verfällt in wilden Aktionismus. Doch das aktuelle Vorgehen und der selbst auferlegte Zeitdruck scheinen wenig geeignet, die Digitalisierung substanziell voranzubringen.

(Bezug: https://www.regierung-mv.de/Aktuell/?id=180757&processor=processor.sa.pressemitteilung)

Nur wenige Monate vor der geplanten Gründung des Landesamtes ist zu den geplanten Strukturen und Aufgaben noch nichts bekannt. Falls die Informationslage hierzu bei den Betroffenen nicht wesentlich besser ist, ist zu erwarten, dass die Verunsicherung sowohl auf Seiten der Beschäftigen in den Behörden als auch beim Landesdienstleister DVZ groß ist. Diese Unsicherheitsfaktoren könnten unmittelbare Auswirkungen auf die Attraktivität als öffentlicher Arbeitgeber und den Erhalt des Wirtschaftsstandorts Schwerin mit mehreren hundert Beschäftigten haben.
Spezialisten für Informationssicherheit und Digitalisierung sind jetzt schon knapp. Ein Abwandern von dringend benötigten Fachkräften und der Verlust von Knowhow wäre das nächste vorhersehbare Desaster, welches sich das von Fachkräftemangel gebeutelte Mecklenburg-Vorpommern auf keinen Fall leisten kann. Neuere Arbeitsmodelle ermöglichen jetzt schon bei vielen innovativen Arbeitgebern das mobile Arbeiten von zu Hause aus. In Schwerin wohnen und arbeiten und trotzdem gutes Geld verdienen sind keine Gegensätze mehr. Transparenz, Offenheit und ein nachhaltiger Masterplan für die Landes-IT wären jetzt das Gebot der Stunde, um Vertrauen zu schaffen.
Es ist völlig unklar, wie das neue Landesamt für mehr IT-Sicherheit und Datenschutz sorgen soll. Beim Thema Informationssicherheit geht es nicht nur um „Computernetze“, sondern auch um die Prozesse und die Organisation. Es muss sichergestellt werden, dass die IT-Sicherheitsbeauftragten weisungsungebunden und beratend agieren können und dabei einen direkten Draht zu den Verantwortlichen und den Entscheidungsprozessen in den einzelnen Behörden behalten.
Ein reiner Transfer von Landesbeschäftigten, wie ihn die Landesregierung ankündigt, ändert an der derzeitigen Situation kaum etwas. Es müssen nicht nur Ressourcen gebündelt und Synergieeffekte genutzt werden, sondern auch zielführend eingesetzt werden. Alle Ressorts müssen dafür an einem Strang ziehen und sich auf gemeinsame, erreichbare und messbare Ziele verständigen, damit das Projekt Digitalisierung nicht an den Befindlichkeiten Einzelner scheitert.
„Mehrfacharbeit“ wie Minister Pegel sie nennt, entsteht nicht zwangsläufig durch verteilte Strukturen, sondern vielmehr durch Ineffizienz aufgrund fehlender Vorgaben des Digitalisierungsministeriums bzw. der Landes-CIO und deren effektiver Lenkung, Standardisierung und aktive Unterstützung. Natürlich erschwerte auch die Ressorthoheit bis zuletzt eine übergreifende Steuerung der Landes-IT.
Was in den letzten Jahren verschlafen wurde, kann nicht innerhalb einer Legislaturperiode mit zahllosen parallellaufenden Großprojekten und der gleichzeitigen Reorganisation der Landes-IT übers Knie gebrochen werden.
Statt beherrschbaren Projekte werden Zusehens immer größere Programme aufgesetzt, die durch die sich erhöhende Komplexität, die Verschärfung rechtlicher Anforderungen und durch die schiere Größe stetig riskanter werden, wie nicht zuletzt die gescheiterte Einführung des neuen Landesverfahrens für Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen HaVEL¹ eindrucksvoll und medienwirksam unter Beweis gestellt hat. Dem Land und damit auch den Bürger*innen drohen durch eierlegende Wollmilchsäue Steuerverluste in Millionenhöhe mit noch unbekanntem Ausgang und Abhängigkeiten für die Zukunft.
Grundsätzlich ist die Gründung eines Landesamts für Digitalisierung ein gutes und erstrebenswertes Ziel. Dafür müssen aber sowohl Ziele als auch eine Strategie definiert werden. Die Betroffenen müssen mitgenommen werden. Ihre Ängste müssen aufgegriffen und ernst genommen werden. Kreativität und Ideen müssen aktiv gefördert werden. Die Zentralisierung darf nicht zu einer weiteren Personaleinsparung im IT-Bereich führen, da die Menge der anstehenden Aufgaben nur mit einer ausreichenden Zahl motivierter und qualifizierter Mitarbeiter*innen zu bewerkstelligen ist.

1vgl. https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Landesregierung-Millionenverlust-wegen-Software-Flop,softwarehavel100.html