von Anja Eggert
Dr. Anja Eggert ist seit 2022 Beisitzerin im Landesvorstand und zudem stellvertretende Sprecherin der LAG Energie & Klima. Die Umweltwissenschaftlerin lebt in Rostock und engagiert sich seit 2018 bei den Grünen in der Hansestadt und MV.
Sommerzeit ist Urlaubszeit! Und die nutze ich und fahre mit dem Zug zu meiner Cousine nach Barcelona. Da ich sowieso zwei Tage mit dem Zug brauchen werde, lege ich einen Stopp in Paris ein. So kann ich mir gleich mal die Verkehrswende in Paris anschauen, von der ich in den deutschen Medien gerade viel gelesen habe.
Schwungvoller Start
Gestartet bin ich in Berlin (ausnahmsweise mal nicht direkt in Rostock) und insgesamt plane ich nur für die Hin- und Rückreise vier Tage ein. Inner-europäisch möchte ich nicht mehr fliegen und die französischen Schnellzüge TGV sind für mich wirklich eine gute Alternative. Ich bin ohnehin viel mit dem Zug unterwegs, daher scheint mir die Zugreise gut machbar zu sein. Doch stimmt das? Die Strecke Berlin-Köln (ICE: 4h25min)-Paris (TGV: 4h45min) ist an einem Tag gut machbar und Paris-Barcelona (TGV: 6h45min) sowieso.
Aber die Preise ließen mich beinah zurückschrecken. Dann bekam ich den Tipp, doch ein Interrail-Ticket zu kaufen.
Damit kann man auch mit den Schnellzügen fahren, allerdings sind diese reservierungspflichtig. Ich kaufte also einen Interrail-Global Pass mit vier Reisetagen innerhalb von einem Monat. Der Preis von 258 Euro ist nicht zu toppen und ich fühle mich wieder wie 20, als ich mit einem Interrail-Ticket einen Monat lang Europa durchquerte. Natürlich bin ich jetzt auch mit meinem alten Reiserucksack unterwegs.
Interrail: 1 Pass für 33 Länder
„Jeder, der in Europa lebt, kann mit einem Interrail-Pass reisen. Wer noch keine 27 Jahre oder über 60 Jahre alt ist, erhält seinen Pass mit einer Ermäßigung.
Mit Interrail bist du absolut flexibel und kannst ganz nach Belieben in den meisten Zügen einfach ein- oder aussteigen, solange dein Pass gültig ist. Falls du einen Zug verpasst, ist das nicht weiter problematisch: Nimm einfach den nächsten.“
Auszug von der Website www.interrail.eu/de
Cooles Projekt in Paris
Bürgermeisterin Anne Hidalgo treibt die Verkehrswende voran. Profitieren soll, wer zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist. Super Sache! Leih-E Scooter wird es ab 1.9.2023 nicht mehr geben, weil die Menschen zu rücksichtslos damit auf Gehwegen fahren und die Scooter zu oft in der Seine landen. Ich kann dem durchaus etwas abgewinnen. Ansonsten gilt in vielen Straßen bereits Tempo 30. Es werden mehr verkehrsberuhigte Zonen geschaffen und Radwege weiter ausgebaut. In der Innenstadt kann ich so als Touristin entspannt flanieren. Die breiten Radwege entlang der Seine und dem Louvre sind auch toll. Ich leihe mir dann aber doch kein Fahrrad aus, sondern erkunde sie Stadt zu Fuß und mit der Metro.
Superblocks in Barcelona
Angekommen in Barcelona – jippie! Hier werde ich eine Woche bei meiner Cousine verbringen und in meinem eingeschlafenen Spanisch den Klatsch und Tratsch der Familie austauschen. Natürlich werde ich auch durch die Stadt und das Barri Gotic bummeln, mich von Gaudi’s Architektur beeindrucken lassen, auf den Montjuic steigen und im Olympia-1992 Freibad schwimmen gehen und auch am Barceloneta-Strand ins Mittelmeer springen.
Was mir in der Nähe der Wohnung direkt auffällt? Die Superblocks! Bei diesen Superblocks (auf Katalanisch „Superilles“), werden bis zu neun Häuserblocks zu einem Kiez zusammengefasst. Innerhalb dieser Superblocks haben Fußgänger und Fahrradfahrer Vorrang. Es gibt bepflanzte Hochbeete, Blumenkübel und neue Bäume. Autoverkehr ist auf den verbleibenden Einbahnstraßen – wenn überhaupt – nur mit 10 bis 20 km/h erlaubt. 2015 gewann Ada Colau die Wahl zur Bürgermeisterin und führte eine links-grüne Stadtregierung an, die mit dem Versprechen angetreten war, den Verkehr in der Stadt zu reduzieren: „Omplim de vida els carrers!“ auf Deutsch: „Lasst uns die Straßen mit Leben füllen!“. 2016 startete das Projekt der Superblocks. Slogan ist: Weniger Verkehr, mehr Grün, mehr Lebensqualität durch das neue Stadtentwicklungsprojekt. Meine Cousine sagt, dass die Superblocks ein großes Erfolgsprojekt sind. Natürlich gab es auch in Barcelona zunächst Bedenken. Aber sieben Jahre später genießen alle das Leben in ihrem Kiez so viel mehr.
In Deutschland ist diese Idee unter #Kiezblocks bekannt geworden und der Verein Changing Cities möchte auch in Berlin verkehrsberuhigte Kieze realisieren. Ich wünsche mir, dass wir auch in Rostock über neue Konzepte für mehr Verkehrsberuhigung in den Wohngebieten nachdenken.