Von: Anne Kubik
Claudia Schulz zur neuen Parteichefin gewählt - Maßnahmen für Erhalt der Artenvielfalt beschlossen
Bei ihrer Landesdelegiertenkonferenz (LDK) wählten Bündnis 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern am Sonnabend in Güstrow eine neue Landesvorsitzende. Zudem berieten die knapp 80 Delegierten aus dem ganzen Land über den Erhalt der biologischen Vielfalt.
Neue Gesichter im Landesvorstand
Punkt 12:21 Uhr verkündete die Wahlleiterin: „Wir haben eine neue Landsorsitzende!“. Mit 72,6 Prozent der Stimmen wurde Claudia Schulz zur neuen Parteichefin der GRÜNEN MV gewählt.
Die 40-Jährige ist keine Unbekannte: Seit 2006 ist die Rostockerin im Landesvorstand, seit vielen Jahren auch umwelt- und agrarpolitische Sprecherin der GRÜNEN MV. „Ich möchte anpacken, damit die Menschen unser schönes Bundesland nicht nur lieben, sondern auch bleiben“, erklärte die Dipl.-Agraringenieurin in ihrer Bewerbungsrede. „Dafür brauchen wir eine attraktive Infrastruktur – von der Schule im Ort über die flächendeckende Gesundheitsversorgung – aber auch schnelles Internet, eine lebendige Kultur, und insbesondere auch erschwinglichen sowie altersgerechten Wohnraum. Das alles ist Daseinsvorsorge, wo der Rotstift fehl am Platz ist“, betonte sie.
Den ländlichen Raum zu stärken, betonte auch Annalena Baerbock. Die neue Bundesvorsizende von Bündnis 90/DIE GRÜNEN war ebenfalls zur LDK in Güstow angereist. „Daseinsvorsorge klingt immer so brürokratisch. Aber das sind die einfachen Fragen: Fährt da noch ein Bus? Haben wir eine Schule oder Post vor Ort? Wo diese Daseinsvorsorge nicht mehr vorhanden ist, da bröckelt auch das Vertrauen in den Staat“, erklärte sie.
„Gut ausgebaute Bus- und Bahnverbindungen und einen übersichtlichen Verkehrsverbund wünschen sich nicht nur die Touristen. Sie sind essentiell wichtig, damit die Kinder nicht nur in erträglicher Zeit zur Schule kommen, sondern auch zum Sport oder zur Musikschule und damit auch älteren Menschen 2 nicht vom gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt werden. Da hat Mecklenburg-Vorpommern enormen Nachholbedarf“, betonte auch Claudia Schulz. Neben solchen sozialen Fragen will die neue Landesvorsitzende insbesondere im Umweltbereich tätig sein. „Mein Herz schlägt für die Landwirte, die Umwelt und die Verbraucher! Diesen Themen bleibe ich natürlich treu.“
„Claudia ist seit 2006 der rote Faden im grünen Landesvorstand – ich kann mir keine bessere Nachfolgerin vorstellen“, sagte Claudia Müller (36), die am Sonnabend von ihrem Posten als Landesvorsitzende zurücktrat. Seit 2012 war Claudia Müller Landesvorsitzende von Bündnis 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern. Im September 2017 wurde sie Stralsunderin in den Bundestag gewählt.
„Es war eine geile Zeit mit euch! Aber mit meinem Mandat als Bundestagsabgeordnete ist eine große zeitliche Präsenz in Berlin verbunden und damit kann ich den wichtigen Aufgaben, die im Land vor den Grünen stehen, nicht hundertprozentig gerecht werden. Deshalb mache ich den Weg frei für einen Neuanfang des Landesvorstandes“, begründete die 36-Jährige ihren Rücktritt. Das Engagement für Mecklenburg-Vorpommern will sie jedoch weiterhin aufrechterhalten. „Als Mittelstandsbeauftragte und Sprecherin für maritime Politik der GRÜNEN Bundestagsfraktion trage ich auch große Verantwortung gegenüber meinem Heimatland. Die klein- und mittelständischen Unternehmen und deren Angestellten sind die wichtigste wirtschaftliche Größe des Landes – und diese werde ich von Berlin aus stärken“, sagte Claudia Müller.
Doch nicht nur an der Spitze der Partei gab es Neuerungen; es wurden auch Beisitzerinnen und Beisitzer im Landesvorstand nachgewählt. Ronja Thiede trat als Vertretung der GRÜNEN Jugend (GJ) MV zurück, Robert Hintz als Beisitzer. Neue Vertretung der GRÜNEN Jugend MV ist Niklas Nienaß. Als Beisitzerinnen wurden Frederike Peters (38), Projektmanagerin aus Sukow (Ludwigslust-Parchim), und Jana Klinkenberg (23), Reitlehrerin aus Klein Sein (Landkreis Rostock) neu in den Landesvorstand gewählt.
Bei den Neuerungen im Landesvorstand (LaVo) handelt es sich um Nachwahlen. Die reguläre Neuwahl des gesamten LaVo steht bei der Herbst-LDK am 20. Oktober an.
Biologischen Vielfalt an Land und im Meer erhalten
Unter dem Motto „Wir schwärmen für euch!“ diskutieren die Delegierten im Güstrower Bürgerhaus dieses Mal nicht nur mit- und untereinander, sondern auch mit Landwirten und Imkern.
„Wir erleben derzeit einen dramatischen Rückgang der Vielfalt an Lebensräumen und Arten in noch nie dagewesener Geschwindigkeit. Nur ein Beispiel: In den vergangenen 27 Jahren nahm die Gesamtmasse der Fluginsekten in Deutschland um mehr als 75 Prozent ab“, umreißt Claudia Schulz, umwelt- und agrarpolitische Sprecherin der GRÜNEN MV, die Situation. Daher nahmen die GRÜNEN bei ihrer Frühjahrs-LDK 2018 den Wiederaufbau der biologischen Vielfalt in den Fokus. „Die können wir nur durch eine geänderte Landbewirtschaftung Hand in Hand mit den Landwirten retten. Das erfordert eine neue, stringent nachhaltige Landwirtschaftspolitik. Denn die derzeitige Agrarpolitik befördert mit Milliarden eine Intensivierung, welche alle Artenschutzbemühungen durchkreuzt. Die 3 Landwirte stehen durch das rückgratlose Agieren der Regierung mit dem Rücken an der Wand! Sie brauchen den klaren, verlässlichen Fahrplan der Politik und eine finanzielle Förderung, welche die Landwirte für ihre Biodiversitäts-Maßnahmen belohnt“, so Claudia Schulz. Auch Matthias Schmidt, Geschäftsführer des Bauernverands Müritz, bemängelte im Gespräch mit den GRÜNEN in Güstrow die zu hohen bürokratischen Hürden, die einer umweltgerechte Bewirtschaftung im Weg stehen.
Der Beschluss von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlägt vier Kernmaßnahmen für eine wirksame Agrarpolitik im Einklang mit den natürlichen Ressourcen vor. Gefordert wird, Ackergifte bis 2023 um die Hälfte zu reduzieren und Alternativen zu fördern, den Ökolandbau zu stärken und einen EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15 Milliarden Euro aufzulegen. „Zudem muss es wieder mehr Raum für die Natur auf Agrarflächen geben, die Agrarumweltmaßnahmen sind derzeit zu engräumig, starr und sehr kompliziert – wichtig ist, dass sie einfacher und wirksamer werden“, so Claudia Schulz weiter. Als Instrument schlagen die GRÜNEN vor, 10 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen aus der Nutzung zu nehmen, um mit diesen Freiflächen den Pflanzen und Tieren natürlichen Lebensraum zu bieten.
Doch nicht nur an Land soll die Wiederherstellung gesunder Ökosysteme oberste Priorität haben, sondern auch in der Ostsee. „Mein Respekt gilt den Küstenfischern. Sie brauchen eine bessere politische Unterstützung, um die Fischbestände als ihre Wirtschaftsgrundlage zu erhalten und ihrem Handwerk treu bleiben zu können! Schonende Fangmethoden, wie etwa selektive Netze, müssen von der Landesregierung gefördert werden. Außerdem müssen Überbrückungsgelder für Krisenzeiten, in denen die Fangqouten aufgrund zu geringer Fischbestände hoch sind, unkompliziert bei den Fischern ankommen“, betonte Schulz. Auch die Veredelung vor Ort und bessere regionalen Vermarktung sind für die GRÜNEN ein wichtiger Baustein, der ausgebaut werden muss. Zudem bräuchten die Regionen mehr Kompetenzen von der europäischen Fischereipolitik, damit für regionale Probleme die besten Lösungen gefunden werden können – und zwar unter Einbeziehung der Küstenfischer. „Strenge Fangquoten, Schonzeiten, sinnvolle Beschränkungen der Tagesfangmengen und Kontrollen sind unabdingbar, um die Reproduktionszyklen gefährdeter Fischarten sicherzustellen. Gut, dass die Mehrzahl der Fischer und Angler diesen Weg mitgeht“, sagte Claudia Schulz. Ohne diese konsequenten Maßnahmen könne die Zukunft der Fischerei in MV – ob beruflich oder im Freizeitbereich – nicht gewährleistet werden.